Bundesverwaltungsgericht: NC für Medizin in Teilen verfassungswidrig

Bundesverwaltungsgericht: NC für Medizin in Teilen verfassungswidrig
Das Bundesverwaltungsgericht Karlsruhe hat entschieden: Die Studienplatzvergabe im Fach Medizin soll künftig anders als durch den NC geregelt werden. Die Auswahl zum Medizinstudium verletze die Berufsfreiheit und Chancengleichheit und widerspreche so in Teilen dem Grundgesetz.

Prekäre Ausgangslage – hoher NC, viele Wartesemester

Die aktuelle Situation für alle Anwärter auf einen Medizin-Studienplatz in Deutschland ist prekär. Im Wintersemester 2017/18 bewarben sich knapp 43.000 junge Menschen auf rund 9.000 Medizin Studienplätze, auf einen Studienplatz kamen also rund fünf Bewerber! Die Chancen für Abiturienten, einen Studienplatz in Medizin zu bekommen, verschlechtern sich von Jahr zu Jahr, da immer mehr junge Menschen Abitur machen und Medizin studieren wollen. Die Folgen davon sind ein extrem hoher NC, ein kompliziertes Zulassungssystem und unverhältnismäßig viele Wartesemester. Aktuell beträgt die Wartezeit 15 Semester, was länger als die Regelstudienzeit für ein Medizinstudium von 12 Semestern ist! Und selbst ein Abiturschnitt von 1,2 sichert einem Absolventen aktuell keinen Medizin Studienplatz mehr an einer deutschen Universität.

Doch wenn die Nachfrage nach dem Medizinstudium so hoch ist, warum werden dann nicht einfach mehr Medizin Ausbildungsplätze angeboten? Obwohl die Gesellschaft in Deutschland überaltert ist und in Zukunft mehr Ärzte benötigen wird -gerade im ländlichen Bereich ist ein Ärztemangel zu verzeichnen- wird das Studienplatzangebot im Bereich Medizin nicht ausgebaut. Der Grund ist eigentlich ganz einfach: im Vergleich zu anderen Fächern ist Humanmedizin ein sehr kostspieliger Studiengang. Und im Gegensatz zu anderen Ländern werden diese Kosten nicht von den Studenten getragen, sondern vom Staat. In naher Zukunft wird es deswegen wohl keinen Ausbau von Medizin Studienplätzen geben.

Wie funktioniert die Studienplatzvergabe im Fach Medizin?

Auf Grund der hohen Nachfrage und des geringen Angebots sind die Studienplätze im Fach Medizin hart umkämpft und das Zulassungsverfahren komplex. Dieses erfolgt nach einem 20-20-60-System. Dabei werden 20% der Studienplätze zentral durch die Stiftung für Hochschulzulassung (SfH) an die Abiturbesten vergeben, hier ist der NC wichtig. Dabei müssen bevorzugte Orte für das Medizinstudium angegeben werden, insgesamt stehen aber nur 6 Studienorte zur Auswahl. Weitere 20% werden durch Bewerber mit ausreichend Wartesemester aufgefüllt, und 60% der Studienplätze werden nach Auswahlverfahren der Universitäten selbst ausgewählt. Aber auch hierbei spielen die Abiturnote sowie der NC eine herausragende Rolle. Diese 60% entsprechen jedoch keinen gesetzlich festgelegten Regeln, sondern folgen Uni internen Auswahlkriterien. Auffällig ist das große Augenmerk auf die Abiturnote und den NC sowie die teilweise willkürlichen Auswahlkriterien der einzelnen Universitäten.

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Was hat das Bundesverwaltungsgericht in Karlsruhe entschieden?

Zwei abgelehnte Bewerber auf einen Humanmedizin-Studienplatz hatten vor dem Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen geklagt, dass das Auswahlverfahren für Medizin ungerecht sei und die freie Berufswahl unmöglich mache. Diese Klage gelangte schließlich sogar bis zum Bundesverwaltungsgericht Karlsruhe. Dieses lud im Oktober 2017 die Stiftung für Hochschulzulassung (SfH), Vertreter der Bundesländer, Sprecher der Medizinstudenten, verschiedene Ärzteverbände und Experten zur Klärung der Klage ein.

Grundsätzlich sei die Vergabe eines Medizin Studienplatzes nach Bestnoten, NC, Wartezeit und nach einer Auswahl nach eigenen Kriterien durch die Universitäten mit dem Grundgesetz vereinbar. Aber: die Zahl der Wartesemester sollte enger begrenzt werden, NC und Abiturnote sollte nicht das einzige Kriterium darstellen und diese sollte über Ländergrenzen hinweg besser vergleichbar sein. Die Vergleichbarkeit der Abiturnoten der verschiedenen Bundesländer wurden als problematisch eingestuft. Außerdem wird kritisiert, dass bei der zentralen Bewerbung durch die SfH 6 bevorzugte Städte für den Studienort angegeben werden müssen.

Doch der Ortswunsch sollte nicht als primäres Kriterium für die Studienplatzvergabe herangezogen werden, außerdem sei die Begrenzung auf 6 Städte willkürlich. Zusätzlich wurde bemängelt, dass die Uni internen Auswahlkriterien keinen gesetzlichen Regeln folgen und deswegen ebenfalls oft willkürlich seien. Artikel 12 des Grundgesetzes lautet, dass jeder das Recht hat, seinen Beruf und seinen Ausbildungsort frei zu wählen, was hier nicht mehr gewährleistet wäre. Außerdem wird so die Chancengleichheit beeinträchtigt. Wenn die staatlichen Hochschulen schon über Beschränkungen verfügten, dann müssten diese sachgerecht sein und den Grundsatz der Gleichbehandlung erfüllen, meinte das Gericht.

Das Bundesverwaltungsgericht Karlsruhe verlangt zahlreiche Änderungen der Studienplatzvergabe im Fachbereich Medizin. Es fordert Bund und Länder auf, bis Ende 2019 die Auswahlkriterien für die Studienplatzvergabe im Fach Medizin neben der Abiturnote und dem NC neu zu regeln. Unter Wahrung der Chancengleichheit sollten Eignungsgespräche in standardisierter und strukturierter Form für die Aufnahme in ein Medizinstudium verpflichtend werden. Außerdem wurde eine Forderung nach einem Assessment Center, in denen fachliche und menschliche Voraussetzungen für den Arztberuf geprüft werden, verlautet.

Fazit: Die Studienplatzvergabe im Fach Medizin widerspricht zwar nicht direkt dem Grundgesetz, doch das Recht auf freie Wahl des Berufes und des Ausbildungsortes sowie die Gleichbehandlung wird zumindest beeinträchtigt. Kritisiert werden vor allem das Hauptauswahlkriterium Abiturnote und NC, die hohen Wartesemester und das komplizierte und in Teilen willkürliche Auswahlverfahren. Das Bundesverwaltungsgericht fordert neue Auswahlkriterien und verpflichtende Eignungsgespräche, um fachliche wie menschliche Kompetenzen außer der Abiturnote für ein Medizinstudium zu testen. Von staatlicher Seite wäre es wünschenswert, mehr Medizin-Studienplätze zu schaffen.

Bildquellen: Vielen Dank an voltamax (©voltamax/www.pixabay.com) und an WilliamCho (@WilliamCho/www.pixabay.com) für die Bilder!
Redakteurin: Barbara Huber


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