Sierra Leone, 2014
Früher hieß Freetown, die Hauptstadt Sierra Leones, Romarong: die „Stadt der Wehklagen“. Immer wieder konnten die Bewohner der heutigen Millionenstadt das Schreien und Weinen derer Seeleute vernehmen, die es nicht schafften, der stürmischen See an der Mündung des Sierra Leone Rivers zu entkommen. Der Sturm jedoch, der am Anfang des Jahres 2014 die Bewohner Freetowns heimsuchen sollte, war stiller. Und so wie sich Stürme nicht um politische Grenzen scheren, so ließ auch diese Bedrohung Ländergrenzen hinter sich. Die Ebola-Epidemie nahm ihren Anfang im Nachbarstaat Guinea und breitete sich schnell in ganz Westafrika aus. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das Virus Freetown erreichte und hunderte Einwohner infizierte. Freetown erinnerte sich wieder an seinen alten Namen und Sierra Leone erklärte den nationalen Notstand. Dieses Mal jedoch vernahm die Welt den Klageruf und konnte ihn nicht unbeantwortet lassen. Im Verbund mit anderen gemeinnützigen Vereinen machte sich „Ärzte ohne Grenzen“ auf den Weg nach Westafrika.
Wie sind die „Ärzte ohne Grenzen“ organisiert und wie finanzieren sie sich?
Als deutsche Sektion von Médecins Sans Frontières (msf) ist „Ärzte ohne Grenzen“ dafür verantwortlich, qualifiziertes Personal zu stellen, die nötigen Gelder aufzutreiben und die Öffentlichkeit über die Aktivitäten des Vereins zu informieren. Weltweit gibt es 25 Mitgliedsverbände, Sektionen genannt. Davon sind 22 für die Steuerung und die Finanzierung der Hilfsprojekte zuständig. Alleine der Einsatz in Westafrika kostete über 100 Millionen Euro. Zu 96 Prozent erhält „Ärzte ohne Grenzen“ das Geld über Spenden. Das Spendenvolumen belief sich im Jahr 2018 auf 157,8 Millionen Euro, davon gingen 137,1 Millionen Euro direkt in die medizinische Nothilfe in 46 Ländern. Insgesamt ist der Verein in 71 Ländern aktiv. „Médecins Sans Frontiére“ geht sehr transparent mit der Verwendung der Spenden um, alle Ausgaben sind auf ihrer Webseite aufgelistet. Der Verein hat das Spendensiegel bekommen. Wenn du spenden möchtest, kannst du das über die Website machen, via Bankeinzug, PayPal, Kreditkarte oder Sofortüberweisung. Hier kannst du auch entscheiden, ob du monatlich oder einmalig spenden willst. Möchtest du für einen bestimmten Einsatzort oder einen bestimmten Zweck Spenden, ist das ebenfalls möglich. Von Materialspenden solltest du jedoch Abstand nehmen. Erstens bedeuten diese einen logistischen Mehraufwand und zweitens müssen die „Einsatz-Kits“ für jedes Hilfsprojekt individuell zusammengestellt werden.
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Zurück in Freetown
Seit dem 08.01.2015, ein Jahr nach Beginn der Epidemie, steht nun im verarmten Außenbezirk „Kissy“ ein weiteres Behandlungszentrum. Einfache Häuser, keine ausgebauten Straßen und eines zu der Zeit tödlichsten Viren. Freetown zählt zu einer der feuchtesten Städte der Welt. In dem tropisch-warmen Klima dauert die Regenzeit 5 Monate an. Eine Belastung für die Bewohner, für die Mitglieder der „Ärzte ohne Grenzen“ und eine perfekte Umgebung für das Virus. Die Architekten haben zusammen mit den Bauingenieuren des Vereins die Wasserversorgung in den Griff bekommen, das Behandlungszelt, mit den Ausmaßen einer mittelgroßen Lagerhalle, steht. Die Unterkünfte für die Mitarbeiter sind eingerichtet, jeder hat seinen eigenen Wohnbereich bekommen. Unter dem Druck der Arbeit und der jederzeit möglichen Infektion ist ein Rückzugsraum auch dringend nötig. Das Behandlungszentrum in „Kissy“ ist das erste mit einer spezialisierten Station für schwangere Frauen in Westafrika seit Ausbruch der Krankheit. Sie hat 35 Betten, alle sind belegt.
Eine Gynäkologin steht zusammen mit einem Kinderarzt im Schutzanzug am Bett einer infizierten Frau. Zu ihnen stellt sich einer der Helfer, der, wie alle anderen ausgesuchten Helfer und Dolmetscher, aus der lokalen Bevölkerung rekrutiert wurde und übersetzt das Englisch der Ärztin. Das Baby wird bald zur Welt kommen. Um ihre Angst zu mildern werden gleich noch eine Hebamme und der Psychiater von „Ärzte ohne Grenzen“ mit ihr sprechen, übersetzt der Helfer weiter. Währenddessen schauen sich die Spezialisten für Infektions- und Krankenhaushygiene im Behandlungszelt nach möglichen Problemen um. Für die Geburt ist alles hergerichtet. Falls es Probleme gibt, was leider sehr wahrscheinlich ist, stehen der Anästhesist und die Chirurgin bereit für die Operation. Einen Tag später ist das Baby da, alles ging gut; dieses Mal. Alle sehen darin, was es ist: ein kleines Wunder. In den folgenden Tagen wird die Psychosoziale Beraterin mit der jungen Mutter sprechen. In ihrer Muttermilch könnte sich das Virus befinden, sie darf den Säugling vorerst nicht damit füttern. Der Gesundheitszustand der Mutter verbessert sich Tag für Tag. Sie kann das Behandlungszentrum bald verlassen. Die Beraterin bittet die Frau noch darum, das, was sie von ihr gelernt hat, weiterzugeben. Für ein paar Tage wird sie die Frau noch begleiten, die Angst der Angehörigen vor der genesenen Mutter und ihrem Baby ist groß.
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Kann ich mich als Student bei „Ärzte ohne Grenzen“ bewerben?
Du hast Lust, dich bei der NGO zu engagieren? Bei „Ärzte ohne Grenzen“ während des Studiums zu arbeiten, gestaltet sich gar nicht so einfach. Es werden vor allem Jobs für Absolventen angeboten. Willst du während des Studiums ein Praktikum im Verein in konkreten Projekten machen, ist das leider nicht möglich. In den Einsatzgebieten ist die Lage meist instabil und eine Betreuung nicht möglich. Du solltest in deiner beruflichen Laufbahn weit genug sein, um eigenverantwortlich zu arbeiten. In den verschiedenen Büros besteht jedoch auch die Möglichkeit als studentische Hilfskraft zu arbeiten.
Jobs bei „Ärzte ohne Grenzen“ – welche Möglichkeiten gibt es?
Möchtest du nach deinem Studium im Verein arbeiten, gibt es dazu viele Möglichkeiten. Jobs und Stellenangebote mit Studienabschluss gibt es in medizinischen und nicht-medizinischen Bereichen. Darunter sind:
Medizinischer Bereich
• Anästhesisten
• Ärzte
• Chirurgen
• Epidemiologen
• Gynäkologen
• Hebammen
• Psychiater
• Kinderärzte
• Psychosoziale Berater
• Spezialisten für Infektions- und Krankenhaushygiene
Nicht-medizinischer Bereich
• Administratoren
• Apotheker
• Architekten
• Bauingenieure
• Finanzkoordinatoren
• Logistik Technik
• Logistik Vorratshaltung
• Personalkoordinatoren
• Projekt-Koordinatoren
Aber es gibt auch Jobs, die nicht gebraucht werden:
• Augenärzte
• Dolmetscher
• Sozialarbeiter
• Zahnärzte
Welche Voraussetzungen haben Jobs bei „Ärzte ohne Grenzen“?
Die Voraussetzungen für eine Mitarbeit in Projekten bei der Hilfsorganisation sind eine abgeschlossenen Berufsausbildung und 2 Jahre Berufserfahrung. Mit Ausnahme der Chirurgen, Anästhesisten und Gynäkologen solltest du zudem mindestens 6-12 Monate Zeit haben für den ersten Auslandseinsatz. Dein Englisch sollte fließend sein, Französisch ist von Vorteil und andere Sprachen ein erwünschtes Plus. Erfüllst du diese Punkte, kannst du dich auf der Webseite von „Ärzte ohne Grenzen“ bewerben. Dazu musst du das Bewerbungsformular auf Englisch ausfüllen und einen ausführlichen Lebenslauf und ein detailliertes Motivationsschreiben, ebenfalls auf Englisch, hinzufügen. Schließlich musst du noch deine Fachzeugnisse sowie dein letztes Arbeitszeugnis in Kopie mitsenden.
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Was erwartet dich bei deiner Arbeit bei „Médecins Sans Frontière (msf)“?
Ist deine Bewerbung erfolgreich, so erwartet dich ein sozialversicherungspflichtiger und befristeter Arbeitsvertrag. Dein monatliches Gehalt beträgt 1.621 Euro brutto im ersten Jahr. Im zweiten Jahr wird dieses dann entsprechend deiner Funktion und deiner beruflichen Vorerfahrung erhöht. Versichert bist du über den Verein. Um Kosten für Transport, Verpflegung und Unterkunft musst du dich nicht kümmern. Notwendige Visa und Impfungen werden von „Ärzte ohne Grenzen“ bezahlt. Und du bekommst zudem ein Taschengeld vor Ort. Einen Anspruch auf Urlaub hast du auch. Du kannst alle drei Monate für eine Woche nach Hause fliegen.
Unterdessen in Freetown
Nach einem Streit mit der lokalen Gesundheitsverwaltung hatte der Projekt-Koordinator des Einsatzes einen schweren Autounfall. Am 07.11.2015 erklärte die WHO Sierra Leone für ebolafrei. Doch in Kissy konnte eine Neuinfektion nachgewiesen werden. Während der Ebola-Epidemie wurde ein großer Teil der medizinischen Ressourcen des Landes von den anderen Gesundheitsprojekten abgezogen. Das führte dazu, dass die Versorgung der Patienten und die Prävention für Malaria, Tuberkulose und HIV eingeschränkt werden mussten. Die steigenden Fallzahlen bei diesen Krankheiten und die Erklärung der WHO setzte die lokale Verwaltung unter Druck und so entschieden sie sich, die Mittel und die personelle Unterstützung der „Ärzte ohne Grenzen“ und der anderen Hilfsorganisationen für die Ebola-Bekämpfung abzuziehen. Der Projekt-Koordinator war bereits gerettet, stabilisiert und auf dem Weg in ein Krankenhaus mit adäquater medizinischer Versorgung, als der Verein entschied, Sierra Leone auch nach der Epidemie zu helfen das geschwächte Gesundheitssystem wieder aufzubauen. Die Krankheit hatte auch beim medizinischen Personal Sierra Leones einen hohen Tribut gefordert.
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Im Jahre 2019 war es dann soweit. Die entwickelte Impfung zeigte einen Wirkungsgrad von 97,5 Prozent. Das Virus gilt als medizinisch besiegt.
Fazit
„Ärzte ohne Grenzen“ leisten oft überlebenswichtige medizinische Nothilfe in Kriegs- und Krisengebieten. Möchtest du die gemeinnützige Organisation schon während deines Studiums unterstützen, so bieten sich in erster Linie Spenden an. Jobs bei „Ärzte ohne Grenzen“ gibt es vor allem für Studienabsolventen.
Bildquelle Titelbild: Vielen Dank an imanol bueno bernaola für das Titelbild (© imanol bueno bernaola/pixabay.com).
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