Auch die Bundesregierung hat nun in Zusammenarbeit mit der Telekom Ideen geäußert, eine Art eigenes „Internetz“ zu basteln. Wie das genau aussehen soll und vor allem wie das technisch funktionieren soll, kann hier ein Stück weit nachvollzogen werden. Die Frage, die sich stellt: Was soll das? Und was würden Landesgrenzen im Internet für die eLearning-Landschaft und für das Studium generell bedeuten?
Zurück zum analogen Lernen?
Stell dir vor, du lebst in London und willst ein Fernstudium an der Fernuni Hagen absolvieren. Prinzipiell ist das kein Problem. Gäbe es nun aber ein deutsches und ein britisches Internet, dann wäre es nicht mehr ohne Weiteres möglich, aus London auf das Internetangebot der Fernuni zuzugreifen. Das klingt natürlich weit hergeholt und wäre ohnehin maximal ein Einzelfall, da aber auch ein eigenes Netzwerk der Schengen-Staaten (weitgehend ist das die EU, Großbritannien gehört aber eben nicht dazu) diskutiert wird, würde ein Londoner in dem Fall erst einmal in die Röhre gucken.
Wer ein Auslandssemester in Übersee absolviert, aber mit seinem Institut in Deutschland in Verbindung steht und beispielsweise auf Mitschriften via Moodle zugreift, der bekommt Probleme. Internationale Zusammenarbeit in Forschung und Lehre zwischen Hochschulen in verschiedenen Staaten wird erschwert. Uniturm, weil in Deutschland ansässig und mit deutschen Servern arbeitend, kann plötzlich nicht mehr aus der Schweiz oder aus Österreich aufgerufen werden. E-Learning schrumpft vom länder- und hochschulübergreifenden Multimedia-Sandkasten zurück auf hochschulinternes Verfügbarmachen von Unterlagen und Skripten für die eigenen Studenten. Der Facebook-Chat mit dem Gaststudenten aus Australien, mit dem man sich im vergangenen Semester angefreundet hat, fällt flach. Das Internet macht keinen Spaß mehr. Wir lesen wieder in Büchern und gehen an die frische Luft.
Realistisch? Sind wir wirklich auf dem Weg zu einem losen Verbund fragmentierter geschlossener Einzel-Internets?
Eher nicht. Durchatmen. Das darf man wohl getrost verneinen. Erstens: Regierungen werden gern wieder gewählt. Und auch, wenn Online-Recht und Internet-Realität in deutschen Wahlkämpfen noch stark unterrepräsentiert sind, wird das Thema in Zukunft wichtiger, gerade wenn es wirklich dazu kommt, dass Rechte und Freiheiten beschnitten werden. Bereits zur nächsten Bundestagswahl dürfte es sich keine Partei mehr erlauben können, mit Vorratsdatenspeicherung, Überwachung im Netz „zum Schutz der Bevölkerung“ und Halbwissen über „dieses Internet“ punkten zu wollen.
Zweitens: Die Realität im Internet zeigt doch eine ganz andere Richtung, nämlich die der Globalisierung, der Omniverfügbarkeit. StudiVZ (kennt das noch jemand?) galt vor einigen Jahren als der große Facebook-Konkurrent in Deutschland, heute redet man davon nur noch in der Vergangenheit, vor allem, weil es versuchte, das Facebook-Konzept auf den deutschsprachigen Raum zu konzentrieren. Trotzdem oder wohl gerade deswegen wechselten nach und nach alle zum globalen Konkurrenten, das regional begrenzte Projekt studiVZ ist quasi gescheitert. Und warum auch nicht? Wozu eine Light-Variante, wenn ich die Vollversion haben kann?
Google, iTunes, Spotify – im Internet wollen wir keine Beschränkungen, sondern die Möglichkeit, global auf alles zugreifen zu können. Das gilt in Zeiten, in denen Studiengänge internationalisiert, Auslandssemester zur Regel und internationale Forschungszusammenarbeit zum Qualitätskriterium werden, auch und besonders für Studenten, Hochschulen und eLearning-Möglichkeiten. Bei aller berechtigten und im medialen Zirkus viel zu kurz kommenden Kritik an den NSA-Methoden: Restriktion ist selten der richtige Weg, vor allem in einem Bereich (das Internet), in dem er einem ganzen Funktionskonzept (offen, global, frei) zuwiderläuft.
Fazit: Man wird sehen, wie sich die Internetrestriktionen in Nordkorea, China, der Türkei etc. weiterentwickeln und inwieweit sich die Bevölkerungen irgendwann gegen die Einschnitte wehren. Im Grunde wäre ohnehin nur ein einziger Weg für Staaten wie Nordkorea sicher: wenn sie generell nur eine Hand voll Internetseiten zulassen und dies evt. sogar nur mit ihrer Länderdomain-Endung kp.
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